Herbarium Taigawurzel


ALLGEMEIN

Als Taigawurzel wird das getrocknete unterirdisch wachsende Organ der Pflanze Eleutherococcus senticosus bezeichnet. „Senticosus“ bedeutet so viel wie „dornenreich“ und bezieht sich auf den reichlich von Stacheln bewehrten Stängel der Pflanze. Eleutherococcus senticosus ist ein mehrjähriger Strauch, der meistens im Unterholz von Koniferenwäldern wächst. Das Verbreitungsgebiet umfasst Zentral- und Nordchina, Korea, Japan und fernöstliche Gebiete von Russland. 


Oft wird die Taigawurzel auch als „sibirischer Ginseng“ bezeichnet, ist aber definitiv keine Ginsengart und unterscheidet sich auch in Bezug auf die Inhaltsstoffe. In Russland wird die Taigawurzel auch Svobodnoyagodnik und in China Ci-wu-jia genannt. Volkstümlich wird in Russland die Taigawurzel zur Stärkung des Herz-Kreislauf-, des Immun-, Nerven- und Endokrinsystems genutzt, während sie in China in der Traditionellen Chinesischen Medizin zur Steigerung der Vitalität und gegen Atemwegsinfekte zur Anwendung kommt (vgl. Grosso et al. 2016: 203). Ausserdem wird die Taigwurzel in der TCM auch als Tonikum, gegen Müdigkeit und zur Belebung des Qi verwendet (vgl. Wang et al. 2019: 2). Der Geschmack des alkoholischen Extrakts der Taigawurzel wird als bitter und leicht brennend beschrieben (vgl. Hänsel et al. 1999: 811).

HEILKUNDE DER ABENDLÄNDISCHEN TRADITION

Die Taigawurzel wird auch in der Traditionellen Europäischen Medizin genutzt und findet dort auch beispielsweise in „modernisierten“ Tinkturen gegen Stress und als Stärkung für Körper, Geist und Seele Anwendung. Die Traditionelle Europäische Medizin wird unter anderem oft in Verbindung mit Heilkundigen wie Hildegard von Bingen oder Paracelsus gebracht.

Paracelsus (Theophrast Bombast von Hohenheim) gilt als einer der bedeutendsten Ärzte und Medizinreformatoren der abendländischen Heilkunde. Seine Heilkunde gilt als eine Mischung aus volksmedizinischem Wissen, eigenem Erfahrungswissen, antiker Medizinphilosophie, altem heidnischen Wissen und Kenntnissen der kräuterkundigen Frauen seiner Zeit (vgl. Rippe et al. 2006: 14f). Paracelsus war stark von der griechischen Antike beeinflusst. Der griechische Arzt Empedokles entwickelte das System der 4 Elemente (Feuer, Erde, Wasser, Luft). Aus dessen Ideen wiederum entwickelte Polybos die Humorallehre (4 Säftelehre). Dieser Lehre liegt zugrunde, dass das Warme,  das Kalte, das Feuchte und das Trockene im Körper eines Menschen in einem Gleichgewicht sein muss, um einen Zustand der Gesundheit zu erreichen. Ebenso bedeutend waren die Schriften des Arztes Galenos, auf den die Temperamentenlehre (Sanguiniker, Choleriker, Phlegmatiker, Melancholiker) zurückgeht. Über 2000 Jahre bleibt die antike Elementenlehre das beherrschende Denksystem des Abendlandes, wobei die Humorallehre und die Ideen des Galenos die Medizin bis in die Neuzeit prägten. Das Standardwerk für Kräuterkunde zur Zeit des Paracelsus war Dioskurides´ „de materia medica libri quinque“, welches die Heillehre nach Gesichtspunkten der Humorallehre beschreibt. Paracelsus scheint einer der ersten gewesen zu sein, der das Konzept der Humorallehre kritisierte (vgl. Rippe et al. 2006: 24f).

Für Paracelsus bestand der Mensch aus sämtlichen Bausteinen des Universums, daher stand auch alles in Wechselbeziehung mit dem Menschen und der Mensch ist somit auch Abbild des Kosmos (vgl. Rippe et al. 2006: 41). Er betrachtete die Astrologie als eine der Säulen der Heilkunst, und mass dem grosse Bedeutung zu. Rippe schreibt dazu, dass man das Wesen der Planetenkraft mit den Bildekräften in der Natur vergleichen muss. Welche Pflanze welcher Planetenkraft zuzuordnen ist, zeigt sich beispielsweise in der Signatur (Wesen, Form, Farbe, Duft, Geschmack etc.) einer Pflanze. Zum Beispiel wird die Wehrhaftigkeit der Brennnessel in Zusammenhang mit dem Wirken des Kriegsgottes Mars gebracht (vgl. Rippe et al. 2006: 107). Auch die Taigawurzel wird in der TEM mit ihren wehrhaften Stacheln dem Mars zugeordnet. Unter anderem werden auch Giftpflanzen oder Pflanzen, die einen scharfen, brennenden Geschmack aufweisen mit dem Planeten Mars in Verbindung gebracht. In der TEM geben Marspflanzen Energie, stärken das Immunsystem und werden gegen Erschöpfungszustände und Kraftlosigkeit verwendet (vgl. Prentner 2017: 29).



IN RUSSLAND

Eleutherococcus senticosus scheint zuerst von Porphyrii Yevdokimovich Kirilov zwischen 1830-1841 in Russland gesammelt worden zu sein und später von unter anderem dem Botaniker Carl Maximowicz bestimmt worden zu sein. Der Forscher Israel Itskovich Brekhman behauptete als erster, dass Eleutherococcus senticosus ähnliche Eigenschaften wie Ginseng hätte (vgl. Davydov et al. 2000: 351). Er war in Sibirien anscheinend der erste der in den 1950ern und 1960ern Studien zu Eleutherococcus senticosus durchführte. In den 1970ern und 1980ern folgten auch Studien in Deutschland, Japan und China (vgl. Davydov et al. 2000: 357). Nach Davydov et al. konnte eindeutig der antioxidative Effekt verschiedener Inhaltsstoffe der Taigawurzel festgestellt werden (vgl. Davydov et al. 2000: 374). Jedoch bemängeln Davydov et al. die Art und Weise auf die die damaligen Studien durchgeführt wurden, sind aber der Ansicht, dass Taigawurzel als Adaptogen Potential hat gegen verschiedene Arten von Beschwerden zu wirken.


ADAPTOGEN

Als Adaptogene werden Pflanzen bezeichnet, die allgemein Stress entgegenwirken und den Widerstand des Körpers gegen Stressoren von Aussen stärken. Der Begriff „Adaptogen“ geht unter anderem auf den Forscher Israel Itskovich Brekhman zurück. Nach Brekhman haben Adaptogene 4 hauptsächliche Merkmale: Adaptogene dürfen den Körper nicht schädigen, und keinen zusätzlichen Stress für den Organismus bedeuten. Auch sind Adaptogene nicht in einem spezifischen Kontext aktiv, sondern haben ein breites therapeutisches Wirkungsspektrum. Adaptogene weisen also eine non-spezifische Wirkung auf. Ausserdem haben Adaptogene eine normalisierende und stabilisierende Wirkung (vgl. Davydov et al. 2000: 353).

PHARMAKOLOGIE

In der Taigwurzel wurden über 50 Inhaltsstoffe festgestellt. Zu diesen zählen unter anderem Lignane wie Eleutherosid B4, Eleutherosid D und Eleutherosid E und E1. Ausserdem zählen auch Phenylpropanderivate wie Eleutherosid B, Sinapylalkohol, Coniferylalkohol, Coniferylalkohol-4-O-Glycosid, Kaffesäure, Chlorogensäure und 1,5-Dicaffeoylchinasäure dazu. Weiters wurden auch Cumarine wie Eleutherosid B1 gefunden. Auch zählen verschiedene Zucker wie Monosaccharide, Galactose, Eleutherosid C, Glycose, Saccharose, Maltose und Polysaccharide zu den Inhaltsstoffen. Aussderm sind auch Triterpensaponine mit bis zu ungefähr 0,1% enthalten, zu denen unter anderem Protoprimulagenin A-Glycoside und die Eleutheroside I, K, L und M gehören (vgl. Leutnant 2018: 173).

WIRKUNG

Die Wirkung von Taigawurzel wird in der Literatur als stimulierend, adaptogen, anabolisch und immunstimulierend beschrieben. Die stimulierende und stressreduzierende Wirkung wird Liriodendrin aber auch Syringin zugeschrieben, wobei den Polysacchariden die immunstimulierende Wirkung zugewiesen wird. Taigawurzel kommt also unter anderem bei Müdigkeits- und Schwächegefühl, nachlassender Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit und als Tonikum zur Stärkung und Kräftigung zum Einsatz (vgl. Hänsel et al. 1999: 813).

Nach Prentner (2017) ist die Wirkung der Taigawurzel tonisierend, stärkend und kräftigend. Es soll zu einer Verbesserung des Blutbilds, Beschleunigung der Regenerationsrate der Zellen, Verbesserung der Leistungsfähigkeit, Vermehrung der T-Zellen, Erhöhung des Beta-Endorphin Blutspiegels und zu einer Verbesserung der Anpassungsfähigkeit des Körpers an äussere und innere Umstände kommen. Ausserdem soll Taigwurzel immunstimulierend/modulierend, stressreduzierend, anabolisch und adaptogen wirken. Darüber hinaus wird es nicht nur bei Stress und Belastungen, sondern auch bei Sport und Depressionen angewendet (vgl. Prentner 2017: 312).

Laut Grosso et al. (2016) wurde ein anti-depressiver Effekt in einer Tierstudie bestätigt. Eine andere Studie schliesst auf eine neuroprotektive Wirkung und eine potentielle Anwendung bei Parkinsons (vgl. Grosso et al. 2016: 204f).

In einer neueren Studie wurde festgestellt, dass die Einnahme eines Taigawurzelextrakts Ausdauer, Herzfunktion und Sauerstoffaufnahme, bei Männern, die in ihrer Freizeit sportlich aktiv sind, nachweislich verbessert (vgl. Kuo et al. 2010: 109).

Eine andere Studie aus dem Jahr 2004 untersuchte die Wirkung von Taigawurzelextrakt bei chronischer Erschöpfung (chronic fatigue syndrome – CFS). Es wurde ein Extrakt verabreicht, welches einer Dosis von ca. 2-4 Gramm Taigawurzel täglich entspricht. Die Ergebnisse waren nicht eindeutig, es schien aber eine leichte Verbesserung für jene mit weniger schwerem CFS einzutreten. Deshalb wurde vorgeschlagen dies in weiteren Studien zu untersuchen (vlg. Hartz et al. 2004: 59).

SAFETY & TOXICITY

In der Literatur wird eine Dosis von nicht mehr als 1-4 Gramm gemahlener Taigawurzel und weniger als 1 Gramm Extrakt pro Tag empfohlen. Generell scheint Taigawurzel gut vertragen zu werden und gilt als nebenwirkungsarm. Dennoch könnte es bei zu hohen Dosierungen zu Hautausschlag, Kopfschmerzen, Durchfall, Bluthochdruck, Schlaflosigkeit und Angstzuständen kommen (vgl. Grosso et al. 2016: 205). Taigawurzel sollte nicht während der Schwangerschaft, Stillzeit, bei Bluthochdruck oder Herzbeschwerden zur Anwendung kommen (vgl. Hänsel et al. 1999: 813; Leutnant 2018: 176).

ZUBEREITUNGEN

Wurzelaufguss:

1 Teelöffel Taigawurzel (ca. 3-4 Gramm) mit einer Tasse Wasser aufkochen und ca. 10 Minuten zugedeckt ziehen lassen. Ein halbes Glas zweimal täglich für maximal 3 Monate, dann 8 Wochen Pause einhalten.

Schnaps mit Taigawurzelblättern:

Eine Handvoll frische Blätter mit 0,5 Liter Schnaps übergiessen und dies dann 2-3 Wochen ziehen lassen. Als Tonikum 1 Schuss davon in heissen Tee hinzugeben.

Immunstärkendes Elixier

20 Gramm getrocknete Taigawurzel und 30 Gramm getrocknete Rosenwurz in 1 Liter Portwein geben und für ca. 4 Wochen ziehen lassen, dann abseihen. Davon 2x täglich vor dem Essen ein Likörglas (20ml) einnehmen (vgl. Leutnant 2018: 179ff).

HINWEIS:

Es wird kein Anspruch auf Richtigkeit der Daten in Bezug auf Dosis, Zubereitungen etc. erhoben. Auch handelt es sich um keine erschöpfende Darstellung von Informationen zur Taigawurzel, sondern eher um eine kurze Zusammenfassung relevant erscheinender Daten.



Quellen:

Davydov, Marina et al. (2000): Eleutherococcus senticosus (Rupr. & Maxim.) Maxim. (Araliaceae) as an adaptogen: a closer look. In: Journal of Ethnopharmacology 72: 345-393.

Grosso, Clara et al. (2016): Herbal Medicine in Depression. Traditional Medicine to Innovative Drug Delivery. Switzerland: Springer International Publishing.

Hartz, A. J. et al. (2004): Randomized controlled trial of Siberian ginseng for chronic fatigue. In: Psychological Medicine 34: 51-61.

Hänsel, Rudolf et al. (1999): Pharmakognosie-Phytopharmazie. Berlin Heidelberg: Springer-Verlag.

Kuo, Jip et al. (2010): The Effect of Eight Weeks of Supplementation with Eleutherococcus senticosus on Endurance Capacity and Metabolism in Human. In: Chinese Journal of Physiology 53 (2): 105-111.

Leutnant, Natalia (2018): Ginseng, Taigawurzel, Rosenwurz. Adaptogene – Wunderheilpflanzen für die heutige Zeit. Aarua und München: AT-Verlag.

Prentner, Angelika (2017): Heilpflanzen der Traditionellen Europäischen Medizin. Wirkung und Anwendung nach häufigen Indikationen. Deutschland: Springer-Verlag GmbH.

Rippe, Olaf et al. (2006): Die Kräuterkunde des Paracelsus. Therapie mit Heilpflanzen nach abendländischer Tradition. Baden und München: AT-Verlag.

Wang, Yan-Hong et al. (2019): The Chemical Characterization of Eleutherococcus senticosus and Ci-wu-jia tea Using UHPLC-UV-QTOF/MS. In: International Journal of Molecular Sciences 20 (475): 1-13.

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