Herbarium Tian ma
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ALLGEMEIN
Tian ma
(Gastrodia elata) ist eine Orchidee, wobei die Knolle dieser Orchidee schon
seit langer Zeit in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) zum Einsatz
kommt. „ma“ ist dabei die Bezeichnung für unter anderem Hanf und ebenso für
andere faserige langstielig wachsende Pflanzen wie zum Beispiel Ephedra
(mahuang). Die deutsche Bezeichnung von Tian ma lautet „Himmelshanfwurzel“.
Tian ma ist unter
anderem im Südwesten, Nordosten und in zentralen Regionen Chinas zu finden. Sie
wächst an Lichtungen oder am Rande von Wäldern in feuchten Berggebieten auf
einer Höhe von 400-3200m. Diese medizinisch bedeutsame Orchidee produziert kein
Blattgrün, und lebt saprophytisch, d. h. totes Material zersetzend. Der gesamte
Wachstumszyklus von Gastrodia elata findet unter der Erde statt, bis auf die
Blütephase in der es dann zur Ausbildung von Samen kommt. Zudem lebt Tian ma in
einer symbiotischen Verbindung mit Armillaria Arten, das sind Pilzarten, welche
der Pflanze Nährstoffe und Energie bieten. Tian ma ist sehr populär in der
chinesischen Medizin und ebenso ein bekanntes „medizinisches“ Nahrungsmittel in
China. Aufgrund der steigenden Nachfrage nach Gastrodia elata als pflanzliches
Heilmittel in China ist sie als selten und gefährdet gelistet (vgl. Liu et al.
2015: 127). Gastrodia elata wird ebenso in Taiwan, Japan, Korea und Indien als
Medizin genutzt (vgl. Chen et al. 2011: 31).
Mindestens 5
Formen von Gastrodia elata werden in China kultiviert: G. elata f. glauca, G.
elata f.elata, G. elata f. viridis, G. elata f. flavida, G. elata f. alba.
Wobei in China hauptsächlich G. elata f. glauca gezogen wird (vgl. Wang et al.
2018: 167).
Tian ma gilt in
China als ein erstklassiges pflanzliches Arzneimittel, das seit langem in der
chinesischen Medizin verwendet wird. In Shennong´s Klassiker der Materia Medica
(shen nong ben cao jing) wird es als mit dem Lebermeridian in Verbindung stehend
betrachtet (vgl. Zhan et al. 2016: 4).
GASTRODIA ELATA
IN DER TCM
Die Ursprünge der
aus der TCM bekannten Akupunktur lassen sich angeblich bis 10.000 vor
Christus zurückdatieren. Man versuchte
mit Steinnadeln Schmerzen zu lindern und Abszesse zu drainieren. Später wurden
die Techniken anhand den Prinzipien der taoistischen Philosophie (Qi, Yin und
Yang) systematisiert. Durch Beobachtung wurde festgestellt, dass die
Nadelsensation entlang einer Linie ausstrahlt, was letzten Endes zur
Entwicklung der Theorie der Meridiane führte (vgl. Focks 2010: 6).
Man betrachtet
Tian ma als in Verbindung mit dem Lebermeridian stehend, welcher nach der TCM
Theorie mit der Regulierung der Stimmung assoziiert ist (vgl. Lin et al. 2018:
222). In den traditionellen Klassikern der TCM steht auch, dass diese Orchidee
das Qi und die Leber tonisieren, den Körper stärken, das Yin nähren, die
Gesundheit verbessern, den Körper verjüngen und das Leben verlängern kann.
Dabei wird Tian ma als von neutraler Natur und als süss im Geschmack
beschrieben (vgl. Zhan et al. 2016: 8).
WIRKUNG UND DOSIERUNG
IN DER TCM
Die Wirkung von
Tian ma wird als entkrampfend, analgetisch und sedativ beschrieben und wird
auch gegen allgemeine Lähmung, Epilepsie und Tetanus eingesetzt (vgl. Tang
1992: 545). Des weiteren wird es auch gegen Ängstlichkeit und depressive
Verstimmung verwendet (vgl. Lin et al. 2018: 133). Weiter Indikationen umfassen
Krämpfe, Kopfschmerz, Schwindelgefühle, Zuckungen und Spasmen beispielsweise.
Liu et al. (2015) beschreiben auch die Verwendung bei Bluthochdruck und
neurodegenerativen Erkrankungen.
Als Dosierung
wird 3-10 Gramm der Wurzel angegeben, bzw. 1-1,5g des getrockneten
Wurzelpulvers (vgl. Liu et al. 2005: 684). Tian ma gilt zwar als relativ
sicheres pflanzliches Heilmittel, dennoch wird empfohlen die Dosis nicht zu
überschreiten, da es zu Nebenwirkungen kommen kann.
ZUBEREITUNGEN IN
DER TCM
Tian ma hat nach
Liu (2015) grossen Wert in der Ernährung und Gesundheit.
Beispielweise
wird Tian ma auch als Wein zubereitet, wobei die Knolle von Gastrodia elata und
andere Kräuter, Früchte und Rinden in einer chinesischen Spirituose für
mindestens eine Woche ziehen gelassen werden. Weiters ist auch die Verwendung
als Tee üblich. Die Orchidee wird ausserdem auch als „Küchenmaterial“
verwendet, wobei hier öfters die frische Knolle bevorzugt wird. Mit dieser werden
unter anderem Suppe oder Haferbrei und ausserdem auch Fleisch, Fisch, Huhn und
Reis gewürzt (vgl. Liu et al. 2015: 131).
SAFETY &
TOXICITY
„Toxicity of Tian
ma in humans is very low.“ (Liu et al. 2015: 132). Obwohl Tian ma als eine
sichere Kräutermedizin eingestuft wird, wird nahegelegt die empfohlene Dosis
nicht zu überschreiten. Bei unsachgemässer Anwendung und Überdosierung kann es
zu Nebenwirkungen wie Hautausschlag, Schwindel, Beklemmungsgefühle in der
Brust, Kurzatmigkeit, Übelkeit und Erbrechen kommen (vgl. Liu et al. 2015:
132).
PHARMAKOLOGIE
Insgesamt wurden
in etwa 80 Verbindungen aus Gastrodia elata isoliert, wobei ca. 80% davon bis
jetzt noch immer unzureichend definiert worden sind. Gastrodia elata enthält
unter anderem phenolische Glycoside, organische Säuren, flüchtige Öle, Sterole,
Polysaccharide etc. Am meisten bedeutend im Hinblick auf die Wirkung sind die
phenolischen Glycoside Gastrodin und Gastrodigenin welche krampflösend, sedativ
und analgetisch wirken.
Der
antiepileptische Mechanismus bzw. Komponenten wie Gastrodin, Gastrodigenin,
4-hydroxybenzylaldehyd, Vanillyl Alcohol und Vanillin scheinen via dem GABA
Signalweg zu agieren, entweder durch die Hemmung der Enzyme die den
Neurotransmitter GABA abbauen oder durch einen direkten Effekt auf den
GABA/Benzodiazepin Rezeptor (vgl. Liu et al. 2015: 130).
Die phenolischen
Verbindungen wie das schon erwähnte Gastrodin, 4-Hydroxybenzyl Alcohol (4-HBA)
oder auch Vanillin spielen eine bedeutende Rolle in der Neuropharmakologie
aufgrund der antioxidativen, entzündungshemmenden und neuroprotektiven
Wirkungen (vgl. Lin et al. 2018: 222).
GASTRODIN
Der Gehalt an
Gastrodin in den Knollen von Gastrodia elata aus verschiedenen Gegenden kann
schwanken und umfasst dabei 0,16% - 1,18%. Der Gehalt hängt stark davon ab,
wann die Knollen gesammelt werden. Zum Beispiel betrug der Gehalt von Gastrodin
im September 0,31%, im Dezember 0,23% und im Juli 0,93% (vgl. Tang 1992: 545).
In Studien wurden
die sedativ-hypnotischen Eigenschaften von Gastrodin bestätigt. Es wird
vermutet dass sogar ein Ethanol-Extrakt von Gastrodia elata Pentobarbital
induziertes Schlafverhalten und den REM Schlaf verbessern könnte. Zudem wurde
in Untersuchungen auch die entkrampfende Wirkung von Gastrodia elata bestätigt.
Es scheint auch eine schmerzlindernde Wirkung beispielsweise bei Kopfschmerzen,
Neuralgien und rheumatischen Schmerzen zu geben. Ausserdem wurden ebenso
entzündungshemmende Eigenschaften festgestellt. Zudem scheint es einen direkt
hemmenden Effekt auf das Vesicular Stomatitis Virus (VSV) zu haben. In
Versuchen wurde auch beobachtet, dass Gastrodin die Herzschlagrate leicht zu
senken scheint. Dieser Effekt schien bis zu 2 Stunden anzuhalten, bevor die
Herzschlagrate wieder normal wurde (vgl. Liu et al. 2016: 212).
ANTI-DEPRESSIVE
EFFEKTE?
Lin et al. weisen
auf Studien hin, die eine Besserung bei neurologischen Erkrankungen wie
Alzheimer, Parkinsons und Depression zeigten (vgl. Lin et al. 2018: 133). Sie
verweisen auch auf eine Studie, die Gastrodin eine ähnliche Wirkung wie der von
Fluoxetin zuschreibt. Allerdings wurden bei dieser Studie keine Tests an
Menschen durchgeführt. Lin et al. stellen fest, dass die MAO-A Aktivität durch
Gastrodin reduziert wird und es somit einen Effekt auf Monoamine
(=eine Gruppe von Neurotransmittern wie z.B. Serotonin) kommen kann. Ein
anderer Neurotransmitter welcher mit Monoaminen interagiert ist GABA. GABA scheint
unter anderem eine wichtige Rolle bei Angstzuständen und epileptischen Anfällen
zu spielen. Lin et al. führen eine Studie an, bei der gezeigt wurde, dass
Derivate von 4-HBA und Vanillin die GABA Transaminaseaktivität (=ein Vorgang im
Gehirn, bei dem der Neurotransmitter GABA durch ein Enzym abgebaut und
umgewandelt wird) hemmen (vgl. Lin et al. 2018: 228).
NEBENWIRKUNGEN
& TOXIZITÄT
Tang et al.
beschreiben Gastrodin hatte keine toxischen Effekte auf Mäuse, wenn es unter
5g/kg oral oder intravenös verabreicht wird. Nach Tang et al. scheint Gastrodin
weniger effektiv als Diazepam zu sein, hat aber weniger Nebenwirkungen (vgl.
Tang et al. 1992: 546).
Tian ma wird
allgemein als nicht toxisch und ohne Nebenwirkungen beschrieben, wenn es auf
vorgeschriebene Art genutzt wird. Berichte beschreiben jedoch, dass es zu
allergischen Reaktionen, anaphylaktischem Schock und akutem Nierenversagen bei
einer intravenösen Gabe eines Tian ma Extrakts kam. Die Gabe einer sehr hohen
Dosis (80g in 3 Stunden) resultierte in Erröten, Schwindel, Kopfschmerz,
visuellen Störungen, generelle Schwäche, Verlust der Muskelkoordination und
Bewusstlosigkeit. Bei Schwangerschaft und in der Stillzeit sollte von der
Einnahme von Tian ma abgesehen werden (vgl. Teoh 2016: 383).
HINWEIS
Sollten
Beschwerden oder Krankheiten bestehen, ist vom Versuch abzuraten diese mit Tian
ma in Eigenregie zu „kurieren“. Eine mögliche Einnahme sollte vorher unbedingt
mit einem Arzt oder einem TCM Spezialisten abgesprochen werden! Weiters wird
kein Anspruch auf Richtigkeit der gesammelten Daten erhoben!
Quellen:
Chen, Pei-Ju et
al. (2011): Gastrodiae Rhizoma (tian ma): a review of biological activity and
anti-depressant mechanisms. In: Journal of Traditional and Complementary
Medicine 1 (1): 31-40.
Focks, Claudia
(2010): Leitfaden Chinesische Medizin. München: Urban & Fischer Verlag.
Lin, Yu-En et al.
(2018): Recent Research Progress on the Anti-depressant like Effect and
Neuropharmacological Potential of Gastrodia elata Blume. In: Current
Pharmacological Reports (4): 220-237.
Liu, Chongyun et
al. (2005): Chinese Herbal Medicine. Modern Applications of Traditional
Formulas. New York: CRC Press LLC
Liu, Yanze et al.
(2015): Dietary Chinese Herbs. Chemistry, Pharmacology and Clinical Evidence.
Wien: Springer Verlag.
Liu, Yang et al.
(2016): The Chemical Composition, Pharmacological Effects, Clinical
Applications and Market Analysis of Gastrodia elata. In: Pharmaceutical
Chemistry Journal 51 (3): 211-2015.
Theo, Eng Soon
(2016): Medicinal Orchids of Asia. Switzerland: Springer International
Publishing.
Wang, Zhi Wei et
al. (2018): Chemical constituents from the rhizomes of Gastrodia elata f.
glauca and their potential neuroprotective effects. In: Phytochemistry Letters
24: 167-171.
Zhan, Hong-Dan et
al. (2016): The rhizome of Gastrodia elata Blume – an ethnopharmacological
review. In: Journal of Ethnopharmacology (189): 361-385.
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