Herbarium Mururé


ALLGEMEIN

Mururé (Brosimum acutifolium) ist eine bis zu über 25 Meter hoch wachsende Baumart welche nicht nur in Brasilien sondern auch in Bolivien, Peru, Ecuador, Kolumbien und in den Guyanas vorkommt. Mit Mururé wird auch im speziellen die Rinde von Brosimum acutifolium bezeichnet, welche in der brasilianischen Volksmedizin unter anderem als entzündungshemmendes und anti-rheumatisches Mittel gilt (vgl. Takashima et al. 2005: 654). Ausserdem soll angeblich der aus der angeritzten Rinde des Baumes gewonnene Milchsaft als Halluzinogen von Schamanen in Französisch Guyana, Suriname und in der Region östlich des Staates Pará in Brasilien genutzt werden [1].


TRADITIONELLE ANWENDUNGEN

Duke et al. (2009) geben an, dass bestimmte Amazonas Bewohner die Rinde von Brosimum acutifolium gegen Arthritis und Rheuma nutzen. Ausserdem betrachtet man in Brasilien die Rinde des Baumes als entzündungshemmend, anti-rheumatisch, aphrodisierend, abführend und tonisierend und kommt also bei Arthritis, Magengeschwüren, Schmerzen, Rheumatismus, Hautgeschwüren und Syphilis zum Einsatz. Einige Brasilianer nutzen die Rinde auch als Analgetikum bei beispielsweise Muskelschmerzen und auch bei Bädern gegen Rheumatismus und Hautgeschwüre.



In Kolumbien betrachtet man die Wirkung der Baumrinde als anti-asthmatisch, verdauungsfördernd, abführend und auch tonisierend.

In Guyana wird der Milchsaft angeblich auch Ayahuasca hinzugegeben, aber wird genauso gegen Muskelschmerzen genutzt. In Bädern kommt die Rinde von Brosimum acutifolium in Guyana bei Fieber zum Einsatz, ausserdem wird dort auch ein Dekokt der Wurzel gegen Kopfschmerz und zur Verbesserung des Gedächtnisses genutzt.
Die Palikur und Wayapi inhalieren angeblich den getrockneten Milchsaft in rituellen Initiationen für halluzinogene Effekte.

In Peru kommt die Rinde als Analgetikum, gegen Magengeschwüre, Muskelschmerzen, zur Regulierung des Nervensystems, bei Schwindelgefühlen, als Wurmmittel, als Tonikum und um den Appetit anzuregen zum Einsatz. Ein Dekokt aus der Rinde oder eine Tinktur gilt in Peru als antianämisch, entzündungshemmend, als Heilmittel gegen Syphilis, als Aphrodisiakum, als Abführmittel, auch als ein Mittel gegen Arthritis, Erschöpfung, Diabetes, Würmer, Verlust des Gleichgewichts, Rheumatismus, gegen Hefeinfektionen und Fieber.
Die Shipibo-Conibo verwenden ein Rindendekokt für Magen-Darm-Beschwerden, für die Reinigung des Blutes und um das Nervensystem zu regulieren.

Die Tikuana nutzen ein Rindendekokt bei menstruellen Schmerzen und Schmerzen bei der Schwangerschaft.
Die Wayapi hingegen nutzen den Milchsaft auch als Schutz gegen Zaubersprüche und Hexerei (vgl. Duke et al. 2009: 120).

Darüber hinaus wird das Holz von Brosimum acutifolium als Baumaterial, für Möbel, als Bodenbelag und für Verpackungen beziehungsweise Kisten genutzt [2].

PHARMAKOLOGIE

In der Rinde von Brosimum acutifolium wurden Flavane, Flavonoide, Lignane, Phenylpropanoide, Benzenoide und Steroide festgestellt. Viele der in Brosimum acutifolium enthaltenen Verbindungen sind für Wissenschaftler vollkommen neu [3].

Zu den enthaltenen Flavonoiden zählen die Brosimacutine A-M. In einer Studie wurden 27 Verbindungen, die in B. acutifolium enthalten sind, auf cytotoxische Aktivität geprüft. Es stellte sich bei den Tests an Leukämie-Zellen heraus, dass insbesondere Brosimakutin K und Luteolin cytotoxische Aktivität besitzen (vgl. Takashima et al. 2005: 657).
Ausserdem wurden auch neue Flavane wie zum Beispiel Acutifolin A-F und Brosimin A-B isoliert (vgl. Takashima et al. 2001: 1493; Torres et al. 2000: 1047).

Zusätzlich wurden Flavolignane gefunden, die Mururin A, B und C getauft wurden, wobei der Stoff Mururin C zuvor schon in Salvia miltiorrhiza festgestellt wurde. Zudem zeigten Mururin A und B Aktivität gegen Protein Kinase A und Protein Kinase C und konnten diese bis zu einem gewissen Prozentsatz hemmen. Proteinkinasen können unter Umständen für Krankheiten verantwortlich sein: „Ist eine Proteinkinase fehlreguliert, trägt sie beispielsweise bei Krebserkrankungen zum Wachstum von Tumoren bei oder sorgt bei Autoimmunerkrankungen für einen ständigen Entzündungsstimulus.“ [4].
Correira et al. (2008) berichten, dass Brosimum acutifolium eine Wirkung gegen Bakterien wie Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa und Staphylococcus ATCC Strain besitzt (vgl. Correira et al. 2008: 369).


NEBENWIRKUNGEN & TOXIZITÄT

Unbekannt.
Aufgrund der Sprachbarriere waren wichtige und interessante Artikel zu diesem Thema nicht zugänglich, da diese weder in Deutsch noch in Englisch, sondern nur in Portugiesisch verfügbar sind.


TAKINI – EIN HALLUZINOGENER BAUMSAFT?

Laut Moretti et al. (2006) nutzen die Palikur, die Wayapi und Kali‘ na den Milchsaft von Brosimum acutifolium als Halluzinogen. Bei den Palikur wird dieser Milchsaft „tauni“ genannt, die Wayapi bezeichnen ihn als „takweni“, während der Baumsaft bei den Kali‘ na „takini“ heisst (vgl. Moretti et al. 2006: 198). Nach Moretti et al. identifizierte der Anthropologe Peter Kloos 1968 das „Takini“ der Kali‘ na als Heliocostylis tomentosa und/oder Heliocostylis pedunculata. 1972 jedoch stellte der Botaniker C. C. Berg fest, dass Takini eindeutig Brosimum acutifolium entspricht. Die von Moretti et al. gesammelten Proben wurden ebenfalls von Berg eindeutig als Brosimum acutifolium identifiziert (vgl. Moretti et al. 2006: 199).
Morettis Forschungen ergaben, dass die Begriffe „takini“ (Kali´ na), „takweni“ (Wayapi) und „tahini“ (Tiriyo) sich alle auf dieselbe Droge beziehen, welche als Halluzinogen von Schamanen genutzt wird. Dabei wird unter Umständen bei den Palikur und Wayapi der Milchsaft getrunken oder auch die Rinde von Brosimum acutifolium geraucht. Eine genauere Untersuchung der in Französisch Guyana gesammelten Proben zeigte, dass es sich um eine Unterart handelte, nämlich Brosimum acutifolium subsp. acutifolium. Die Verbreitung dieser speziellen Unterart soll sich angeblich nur auf Suriname, Französisch Guyana und auf das Gebiet östlich von Pará beschränken. Zudem bestätigten chromatografische Analysen des Materials die Präsenz von Bufotenin, das nach Moretti et al. für die halluzinogenen Effekte verantwortlich sein soll (vgl. Moretti et al. 2006: 200).
Schultes et al. berichten in ihrem Buch „Plants Of The Gods“ (2001) über einen heiligen Baum in Guyana, wobei Schultes besagten Baum als Heliocostylis pedunculata benennt:
"Takini is a sacred tree of the Guianas. From the red "sap" of the bark a mildly poisonous intoxicant is prepared. Extracts from the inner bark of two trees elicit central nervous system depressant effects similar to those produced by Cannabis sativa. The two species responsible for this hallucinogen are H. pedunculata and H. tomentosa. These two species of trees are similar. Both are cylindrical or very slightly buttressed forest giants 75 ft (23 m) tall with grayish brown bark; the latex is pale yellow or cream-colored. The leathery lanceolate-elliptic leaves attain a length of 7 in. (18cm) and a width of 3 in. (8cm). The fleshy, pistillate flowers are borne in gbbose cauliflorous heads. Very little is known about these trees and they are rarely studied. The hallucinogen could theoretically originate from either of the related genera Brosimum or Piratinera. Extracts from the inner bark of both trees have been pharmacologically studied; they have a softening or dampening effect, similar to Cannabis sativa.“ (Schultes et al. 2001: 44).


BUFOTENIN

Moretti et al. sind der Ansicht, dass die halluzinogene Wirkung des Baumes Brosimum acutifolium subsp. acutifolium auf das im Milchsaft enthaltene Bufotenin zurückzuführen ist.
Bufotenin ist ein Tryptamin und strukturell verwandt mit dem Neurotransmitter Serotonin. Es ist auch in anderen Pflanzenarten wie zum Beispiel Anadenanthera peregrina und Anadenanthera colubrina, sowie in Schilfarten wie beispielsweise Phragmites australis und auch im Sekret bestimmter Krötenarten enthalten. Diese Bufo-Arten sind „chemische Fabriken“, in deren Sekret nur geringe Mengen Bufotenin enthalten ist. Im Krötensekret sind ausserdem toxische cardioaktive Steroide enthalten, wie zum Beispiel Bufogenin und Bufotoxin (vlg. Torres et al. 2006: 171).

Berger gibt an, dass Bufotenin nicht an das Wirkprofil von verwandten Substanzen wie DMT, 5-MeO-DMT, etc. herankommt und hauptsächlich körperlich wirkt. Es kann zu Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Beklemmung, erhöhten Blutdruck und anderen Symptomen kommen (vgl. Berger 2017: 44).

WIRKUNGEN VON BUFOTENIN

Nach Torres et al. (2006) wurde der erste Bericht über einen „klinischen“ Versuch am Menschen mit reinem Bufotenin 1956 von Fabing und Hawkins veröffentlicht. Es handelte sich um eine Studie mit sehr fragwürdigen Methoden, wobei 4 gesunden Häftlingen Bufotenin in Dosen zwischen 1mg und 16 mg intravenös verabreicht wurde. Die von den Häftlingen berichteten Effekte umfassten: ein Gefühl der Enge in der Brust und im Hals, Übelkeit, Erbrechen, Veränderung der Gesichtsfarbe ins Violette, ein Gefühl des Drucks und der Schwere im gesamten Körper, Kribbeln im Gesicht, eine beschleunigte Atmung etc. Visuelle Effekte traten bei den höheren Dosierungen auf, wie zum Beispiel das Sehen von roten und schwarzen Punkten und Farben, die sich herumbewegten (vgl. Torres et al. 2006: 175).  Während der Tests erlitt anscheinend eine „Testperson“ einen Atemstillstand. Trotz dieses Umstandes und der „violetten“ Gesichtsfarbe, welche womöglich das Ergebnis eines Sauerstoffmangels und einer Gefässverengung sein könnte, fuhren Fabing und Hawkins fort, den Häftlingen Bufotenin zu verabreichen (vgl. Torres et al. 2006: 177).
Jonathan Ott (2001) führte unter anderem einen Selbstversuch mit oral eingenommenem Bufotenin durch. Ott berichtet bei einer Einnahme einer Kapsel, welche 100mg Bufotenin enthielt, über das Auftreten von Tinnitus, tryptamintypischen Körperempfindungen, „mild psychoptic effects“ aber ohne farbige Muster (vgl. Ott 2001: 277).


HINWEIS – EIN KRITISCHER BLICK

Die gesammelten Daten dienen allein der Information und sollen auf keinen Fall zu Experimenten anstiften. Weiters sind die Daten insbesondere die Forschungsergebnisse von Moretti et al. kritisch zu hinterfragen. Ausserdem scheint in der Literatur zu den halluzinogenen Effekten in Bezug auf Mururé/Takini keine Einigkeit zu herrschen. Moretti et al. bringen den Begriff „Mururé“ mit Brosimum utile in Zusammenhang, während Matos Vieira et al. darauf hinweisen, dass in Brosimum utile Bufotenin enthalten sei (vgl. Moretti et al. 2006: 201; Matos Vieira et al. 2019). Anzuzweifeln ist auch, ob durch das Trinken von in etwa 500ml Milchsaft (ca. 12,5mg Bufotenin) schon halluzinogene Effekte auftreten (vgl. Moretti et al. 2006: 201). So bleiben viele Fragen offen, wie zum Beispiel ob „Takini“ tatsächlich von Berg botanisch korrekt bestimmt wurde, oder welche Substanz für die Effekte verantwortlich ist, sollte es Bufotenin nicht sein? Mehr Forschung in dieser Hinsicht wäre notwendig.



Quellen:

Berger, Markus (2017): DMT. Forschung, Anwendung, Kultur. Aarau und München: AT-Verlag.

Correira et al. (2008): Amazonian plant crude extract screening for activity against multidrug-resistant bacteria. In: European Review for Medical and Pharmacological Sciences 12: 369-380.

Duke et al. (2009): Duke´s Handbook of Medicinal Plants of Latin America. Florida: CRC Press, Taylor & Francis Group.

Matos Vieira et al. (2019): Mururé (Brosimum acutifolium Huber) in the Treatment of Syphilis in Colonial Amazonia. In: Ethnobotany. Local Knowledge and Traditions. Florida: CRC Press.

Moretti et al. (2006): Identification of 5-hydroxy-tryptamine (bufotenine) in takini (Brosimum acutifolium Huber subsp. acutifolium C.C. Berg, Moraceae), a shamanic potion used in the Guiana Plateau. In: Journal of Ethnopharmacology 106: 198-202.

Ott, Jonathan (2001): Pharmanopo-Psychonautics: Human Intranasal, Sublingual, Intrarectal, Pulmonary and Oral Pharmacology of Bufotenine. In: Journal of Psychoactive Drugs 33 (3): 273-281.


Takashima et al. (2001): Acutifolins A-F, a New Flavan-Derived Constituent and Five New Flavans from Brosimum acutifolium. In: Journal of Natural Products 64: 1493-1496.

Takashima et al. (2002): Mururins A-C, Three New Lignoids from Brosimum acutifolium and their Protein Kinase Inhibitory Activity. In: Planta Med 68: 621-625.

Takashima et al. (2005): Brosimacutins J-M, Four New Flavonoids from Brosimum acutifolium and their Cytotoxic activity. In: Planta Med 71: 654-658.

Torres et al. (2000): Flavonoids from Brosimum acutifolium. In: Phytochemistry 53: 1047-1050.

Torres et al. (2006): Anadenanthera. Visionary Plant of Ancient South America. New York-London-Oxford: The Haworth Herbal Press.

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